Der Romancier habe sich abgeschieden
Der Roman komme weder aus der mündlichen Tradition noch gehe er in sie ein.
Der Romancier habe sich abgeschieden, sei einsam. Die Geburtskammer des Romans sei das Individuum in seiner Einsamkeit. Einen Roman schreiben heiße, in der Darstellung des menschlichen Lebens das Inkommensurable auf die Spitze zu treiben. Hierbei wisse der Romancier sich selber keinen Rat und erteile auch keinen Rat. Der Roman sei die Darstellung der Ratlosigkeit: siehe Don Quichote.
In einer weiteren Stufe werde der Roman zunächst von der Mitteilung flankiert, die im späteren Verbund mit der expandierenden Presse dem Erzähler den Garaus macht.
Nicht mehr die Kunde, die von fernher komme, sondern die Information, die einen Anhaltspunkt für das Nächste liefere, finde Gehör.
„Die Kunde, die aus der Ferne kam –sei es die räumliche fremder Länder, sei es die zeitliche der Überlieferung-, verfügte über eine Autorität, die ihr Geltung verschaffte, auch wo sie nicht der Kontrolle zugeführt wurde“.
Die Information hat ihre Relevanz in dem Moment
Die Mitteilung wird beschleunigt, wird zur Info mit dem Anspruch auf prompte Nachprüfbarkeit, muss plausibel klingen.
Benjamin: „ Es ist die halbe Kunst der Erzählens, eine Geschichte, indem man sie wiedergibt von Erklärungen frei zuhalten. Der Geist der Erzählung ist mit der Information unvereinbar.
Dies gilt nun in gleichem Maße für das Wissen der Metaphern in Kunst und Literatur, das entzaubert würde, reduzierte man es auf den Informationsgehalt.
Benjamin: „In der Erzählung wird das Außerordentliche, das Wunderbare mit der größten Genauigkeit erzählt, der psychologische Zusammenhang des Geschehens wird dem Leser aber nicht aufgedrängt. Es ist ihm freigestellt, sich die Sache zurechtzulegen, wie er sie versteht, und damit erreicht das Erzählte eine Schwingungsbreite, die der Information fehlt.“
Die Information hat ihre Relevanz in dem Moment, wenn sie neu ist. Sie liefert sich dem Augenblick aus und vergeht. Die Erzählung hingegen bewahre ihre Kraft und sei noch nach langer Zeit der Entfaltung fähig.
Benjamin: „Sie ähnelt den Samenkörnern, die jahrtausendelang luftdicht verschlossen in den Kammern der Pyramiden gelegen und ihre Keimkraft bis auf den heutigen Tag bewahrt haben“.
Die Utopie in den Sätzen Walter Benjamins zu bergen und zu bewahren kann das Anliegen einer Pädagogik sein , die Bildwelten als das Andere zulässt.
Es gebe, so Benjamin, nichts, was Geschichten, denen man lausche, dem Gedächtnis nachhaltiger anhafte als jene keusche Gedrungenheit, welche sie psychologischer Analyse entziehe.
Dieser Assimilationsprozess bedürfe eines Zustandes der Entspannung, der seltener und seltener werde.
Er weiß Rat
Benjamin: „Wenn der Schlaf der Höhepunkt der körperlichen Entspannung ist, so die Langeweile der geistigen.. Die Langeweile ist der Traumvogel, der das Ei der Erfahrung ausbrütet. Seine Nester sind fast ausgestorben. Damit verliert sich die Gabe des Lauschens und die Gemeinschaft der Lauschenden“.
„So betrachtet geht der Erzähler unter die Weisen ein. Er weiß Rat – nicht wie das Sprichwort : für manche Fälle, sondern wie der Weise : für viele. Denn es ist ihm gegeben, auf ein ganzes Leben zurück zugreifen . ( Ein Leben übrigens, das nicht nur die eigene Erfahrung, sondern nicht wenig von fremder in sich schließt. Dem Erzähler fügt sich auch das, was er vom Hörensagen vernommen hat, seinem Eigensten bei.) Seine Begabung ist: sein Leben, seine Würde: sein ganzes Leben erzählen zu können. Der Erzähler – das ist der Mann, der den Docht seines Lebens an der sanften Flamme seiner Erzählung sich vollkommen könnte verzehren lassen“.
Zusammenfassung
Olaf Gruschka
Ein Projekt aus dem Kunstunterricht. Der Erzähler als Skulptur